Rebooting.

D90 vs D70

In Tests werden neue Digitalkameras immer mit aktuellen Konkurrenzmodellen verglichen. Das hilft jedem, der sich – möglicherweise von null an – für eine neue Kamera interessiert und mangels Zubehör noch nicht an einen Hersteller gebunden ist (hierzu las ich kürzlich allerdings, dass gerade Profis durchaus mal die komplette Ausstattung wechseln, weil die paar tausend Euro denen nichts ausmachen. Naja). Das gilt natürlich nur für DSLR-Modelle, bei Kompakten ist ein Wechsel ja kein Problem. Auch die Speichermedien sind mittlerweile derart billig geworden, dass man problemlos von CF zu SD und umgekehrt wechseln kann.

Da gibt es allerdings noch diejenigen, die bereits mit einer DSLR ausgestatt sind. Denen stellen sich unter Umständen ganz andere Fragen:

  • Lohnt ein Upgrade von meiner derzeitigen Kamera?
  • Wenn ja, lohnt der Mehrpreis für das nächstgrößere Modell?

Kürzlich stand ich vor beiden Fragen. Will ich meine Nikon D70 ablösen und wenn ja, mit was?

 

Zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung war die D70 eine exzellente Kamera. Aber in den vergangenen vier Jahren hat sich in diesem Markt einiges getan. Die D80 bot als direktes Nachfolgemodell für mich persönlich nicht wirklich genug Verbesserungen, um die Anschaffung zu rechtfertigen. Aber ich ging irgendwie immer davon aus, das übernächste Modell würde es werden, was sich ja nun bewahrheitet hat in Form der D90.

Hier nun also die Liste von Dingen, die für mich den Ausschlag gaben oder auch nicht:

  • Sensorselbstreinigung. Endlich. Mann, gingen mir die Flecken der unvermeidlichen Staubflusen auf dem Sensor bzw. Sensorfilter auf den S*ck. Natürlich hatte man immer genau dann vergessen, die Kamera zu reinigen, wenn ein besonders dicker Fleck sich vor den blauen Himmel gelegt hat. Ich kann nur hoffen, dass das Feature hält, was es verspricht.
  • ISO-Empfindlichkeit / Bildqualität. Hier hat sich gefühlt am meisten getan, die Bilder der D90 sind bei ISO 1200 eine Klasse besser als die 800er der D70.
    Active D-Lighting verbessert Bilder in schwierigen Kontrastsituationen. Ken Rockwell ordnet sie deshalb der "zweiten Generation" der Nikon-Kameras zu. Einen direkten Vergleich zwischen aktiverten und deaktiviertem ADL habe ich erst einmal gemacht, aber das sah gut aus.
  • Bedienung. Ein oft unterschätzter Faktor bei der Auswahl einer Kamera. Hier macht die D90 einige Kleinigkeiten besser, angefangen beim dedizierten Knopf für die Wahl des AF-Typs (der allerdings dank AF-A fast wieder überflüssig ist), über die Anzeige der Aufnahme-Daten auf dem rückwärten Display (nützlich bei Stativ-Aufnahmen in Kopfhöhe) bis zum sehr praktischen individuellen Menü, das direkt über den zusätzlichen Funktionsknopf am Zeigefinger aufgerufen werden kann. Letzteres kann man sich entweder selbst mit seine am häufigsten genutzten Funktionen bestücken, oder die Kamera automatisch die zuletzt aufgerufenen auflisten lassen. Ich mache ersteres, damit habe ich die Messfeldsteuerung auf Knopfdruck und ein paar andere Optionen zwei "Klicks" weiter.
    Einen Haken gibt es allerdings: der Lösch-Knopf wurde von rechts unten nach links oben verschoben. Das zwingt jetzt zum Umsetzen der linken Hand, wenn man Bilder direkt wieder löschen möchte. Mir ist unverständlich, wie man auf so eine Idee kommen kann.

Das waren wohl die wichtigsten Vorteile. Dazu kommen noch:

  • vielvielviel besseres Display auf der Rückseite
  • 12MP statt 6. D.h. die Bilder sind 50% höher und breiter, dafür die Dateien doppelt so groß.
  • Master-Steuerung mit dem integrierten Blitz. Muss ich noch mit rumspielen, klingt aber spannend. Damit kann man mehrere externe Blitze (SB-400 aufwärts) fernsteuern. Das konnte zwar die D70 auch schon, aber nicht ohne selbst zu blitzen.
  • Ich liebe die Anzeige der ISO-Einstellung im Sucherdisplay. Die rettet mich vor einem Fehler, den ich früher oft gemacht habe: Nach Hochsetzen des ISOs am Vorabend vergessen, ihn wieder auf 200 runterzuschrauben und das erst merken, nachdem man den halben Tag in hellem Sonnenlicht mit ISO 800 fotografiert hat.

Als ich die D90 das erste Mal in der Hand hatte, kam sie mir etwas zu klein vor. Aber das scheint in diesem Fall reine Gewohnheit gewesen zu sein, inzwischen merke ich davon nichts mehr.

Und dann noch ein paar Dinge, die mich nicht so begeistern oder nicht interessieren:

  • Live View. Gehyped ohne Ende: DSLRs mit Live-Bild auf dem Sucher. Nützlich wäre das dann, wenn Nikon innovativ genug gewesen wäre, das rückwärtige Display abklappbar zu machen wie es z.B. die Kameras von Panasonic können. Dann könnte man ohne Probleme mal in Bodennähe oder hoch über dem Kopf zielen.
    Interessant wird das höchstens mal, wenn die Kamera hoch auf nem Stativ steht und man nicht an den Sucher kommt.
    Allerdings ist der Autofokus im Live-View-Modus nicht zu gebrauchen. Erstens langsam und zweitens in ganz normalen Lichtverhältnissen schon überfordert. Jede Kompakt-Digicam kann das besser. Hoffentlich lässt sich das mal per Firmware nachbessern.
  • HD-Video. Natürlich, das absolute Überfeature der D90. Zumindest für die PR-Abteilung. Leidet aber unter dem gleichen Autofokus-Problem wie Live View (wobei während der Aufnahme nur manuell fokussiert werden kann). Nicht so schön ist auch die Wellenbewegung bei schnellen Horizontalschwenks. Allerdings kann man mit der Kamera auch wundervolle Videos machen, wenn man sie richtig zu nutzen weiß. Aber ich fürchte, ich bin kein Filmer.
  • Ich hatte sehr auf den "größeren Sucher" gehofft, der von der D80 übernommen wurde. Als Brillenträger hat man es immer ein wenig schwer, das ganze Sucherbild auf einmal zu sehen zu bekommen. Das Bild im Sucher ist jetzt zwar größer, aber mehr davon sehe ich auch nicht.

Was haben wir also? Für mich geben hier nicht die großen Neuigkeiten den Ausschlag, sondern die Summe der verbesserten Kleinigkeiten. Bin ich zufrieden? Klar. Mag jemand ne gebrauchte D70 kaufen?

Als Alternative zur Wahl stand übrigens das ein Jahr ältere,  größere Modell D300. Die kostet nicht ganz das Doppelte. Ich habe für mich aber nichts gefunden, was den Preisunterschied rechtfertigen würde. Die Bildqualität ist nach den Tests identisch, dafür kostet Zubehör deutlich mehr. Z.B. kann die D300 nicht mit dem spottbilligen IR-Fernauslöser ML-L3 zusammenarbeiten und der Batteriegriff kostet das Doppelte. Mein Vater bekommt sie aber demnächst, vielleicht kann er dann mal berichten.

5 Comments to “D90 vs D70” RSS feed for these comments

  1. Tobias sagt:

    Hey Oli,

    cooles Review. Gefällt mir! Wenn die D90 in meinem Budget liegen würde, hättest du mich überzeugt.
    Leider liegt sie das nicht, weshalb es doch die 450D werden wird 😉

    Viele Grüße

    Tobias

  2. Danke für den review. Braucht jemand ne gebraucht D70 😉

    Bildqualität und Sensorselbstreinigung sind für mich die entscheidenden Punkte. Schauen wir mal, ob es nächste Woche in den USA eine günstige Möglichkeit zum Wechsel gibt 😉

  3. […] Herr Regelmann schaut sich die D90 genauer an und vergleicht sie mit der D70. Mir geht es ebenso wie ihm, dass es zwar wunderbare Vergleiche mit aktuellen Modellen gibt. Aber bisher fehlte mir der direkte Vergleich mit meiner D70. Wechseln oder nicht wechseln ist die Frage. Zwei ganz entscheidende Punkte veranlassen mich nun, doch ernsthaft über einen Wechsel nachzudenken: Sensorselbstreinigung. Endlich. Mann, gingen mir die Flecken der unvermeidlichen Staubflusen auf dem Sensor bzw. Sensorfilter auf den S*ck. Natürlich hatte man immer genau dann vergessen, die Kamera zu reinigen, wenn ein besonders dicker Fleck sich vor den blauen Himmel gelegt hat. Ich kann nur hoffen, dass das Feature hält, was es verspricht. […]

  4. Tobi sagt:

    Was ist mit der 1/8000s der D70 und der 1/500stel Blitzsynchronisationszeit?

    Das finde ich eines der ärgerlichsten Abstriche, die ich beim Kauf der D90 machen müsste. Für mich absolute K.O.-Kriterien, da ich sehr gerne bei Offenblende fotografiere, zwecks Tiefenunschärfe. Ein Aufhellblitz kommt ebenfalls nicht selten zum Einsatz und da sind 1/500stel, im Vergleich zur 1/200stel der D90, Gold wert.
    Schade, dass ich für diese Extras zur viel teureren und sperrigeren D300 wechseln müsste, bei der ich immer noch Abstriche in Kauf nehmen muss (D200 hat nur 1/250stel Blitzsynchro, die D300 1/320stel).

    Ich finde, diese Informationen sind schon eine wertvolle Erweiterung dieses Reviews. Wer also gerne mit Offenblende und Blitz am Tage arbeitet, der ist (imho) mit der D70 besser bedient.

  5. Sven sagt:

    Ob Megapixel ein Vorteil sind, liegt auch im Auge des Betrachters… Wo die Bilder mit der D70 selbst mit einem Tamron 18-200 bei Offenblende gestochen scharf gewesen sind, produziert die D90 Matsche.

    Das nur als Anmerkung 🙂
    Ansonsten aber super Review, wenn auch etwas subjektiv veranlagt.

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