Does this thing live?

Fantasien

Spiegel Online:

Deutscher Frühwarn-Ehrgeiz

Ein Tsunami-Frühwarnsystem im Indischen Ozean für 40 Millionen Euro, fertig in nur drei Jahren: Die Bundesregierung hat mit einer ehrgeizigen Initiative für Aufsehen gesorgt. Experten außerhalb Deutschlands zweifeln allerdings, ob die mutigen Pläne realistisch sind.

Dabei ist der Plan so einfach und überzeugend. Sie versenken einfach OBUs im Meer und installieren alle 100km Überwachungsbrücken, die im Meer jeden vorbeischwimmenden Fisch und an Land jeden Touristen fotografieren. Wahlweise kann jemand, der Verdächtiges bemerkt, das auch an einem Internet-Terminal in drei strategisch um den indischen Ozean verteilten Tankstellen melden. Allerdings muss er dafür Deutsch, Englisch, Französisch oder Polnisch sprechen, die lokal üblichen Sprachen sollen mit einem späteren Update nachgeliefert werden. Leider stellt man dann später fest, dass man eine entsprechende Update-Möglichkeit nicht eingebaut hat. Und den indischen Ozean mit einem engmaschigen GSM-Sendernetz auszustatten, erweist sich sich als doch nicht so einfach wie ursprünglich gedacht.

Im Alarmfall werden dann die Handynummern der zu warnenden Urlauber – die ja vorher anhand der Überwachungs-Fotos identifiziert wurden – links mit Nullen aufgefüllt oder abgeschnitten, bis es exakt zehn Ziffern sind. Die Handynetz-Betreiber werden gebeten, die deswegen nicht erreichten Empfänger einzeln anzurufen und ihnen die SMS vorzulesen. Es werden Kettenmails gestartet mit den Fotos aller, die nicht gleich auf die SMS geantwortet haben.

Gleichzeitig mit der Warnmeldung an die Urlauber gehen auch Nachrichten an die Fernsehanstalten, damit die schonmal mit der Planung für diverse Spendensammel-Galas beginnen können. Die Scorpions kramen alte Songs aus und die Telekom bemüht sich, diesmal schon vorher klarzustellen, dass die 6ct/Anruf natürlich ebenfalls gespendet werden. Pflaume, Jauch sowie Gottschalk werden aus dem Urlaub geholt. Huch, die sind im Krisengebiet verschollen? Egal, dann nehmen wir Emmerlich, Int-Veen und – genau – Schreinemakers. Wenn die betroffen guckt, springen den Zuschauern die Euros geradezu aus der Tasche. Die öffentlich-rechtlichen Sender weigern sich immer noch, aus diesem Anlass endlich mal mit den privaten zu kooperieren. Das passe nicht in die Senderlandschaft, sagen sie. Sat1 gewinnt dennoch den Wettlauf um den frühesten Sendetermin und damit die größe Spendensumme von Leuten zwischen 14 und 49 Jahren. Das ZDF vermeldet stolz den höchsten Altersdurchschnitt seiner Spender.

Die Radiosender verbannen die Songs „Bridge over troubled water“, „An der Nordseeküste“ sowie alles von Roger Waters, Billy Ocean und den Beach Boys. Das TV verschiebt die Ausstrahlung von „20.000 Meilen unter dem Meer“, „Ocean’s Eleven/Twelve“, „The Big Blue“, „Waterworld“ und „Findet Nemo“.

In den Finanzämtern wird roter Alarm ausgelöst, schließlich müssen die Zahlungen und Spendenquittungen genau überwacht werden. Irgendwie müssen die drei Milliarden ja wieder reinkommen, die das System inklusive der Schweigegelder an die technologisch bessere Konkurrenz gekostet hat. Um die Lücke zu schließen, überlegt man sich, ob man Michael Schumacher diesmal steuerlich drankriegt, weil er zwar aus dem Ausland aber immerhin an eine deutsche Institution spendet.

Während der Voraustrupp der deutschen Bundeswehr noch mit den Zeltstangen beschäftigt ist oder im Stau steckt, sind die Amerikaner schon mit drei Flugzeugträgern vor Ort und fliegen Care-Pakete umher, begleitet von einigen eingebetteten Journalisten.

Für die Webseite wird das bewährte Team von Arbeitsagentur.de zusammengetrommelt. Zum ersten großen Belastungstest kommt es, als der Projektleiter vor Wut über die mal wieder nicht funktionierende Seite heftig gegen den Rechner neben seinem Bett* tritt, der zufälligerweise den zentralen Seismographen kontrolliert. Binnen einer halben Stunde wird weltweit ein Streifen von 20km an den Küsten evakuiert. Bedauerlicherweise kommt es dabei zu ein paar Massenpaniken, da die Flüchtenden nicht an Interviews gebenden Politikern vorbeikommen, die spontan und medienwirksam die angeblich betroffenen Gegenden besuchen. Eine Funktion zum Widerrufen des (Fehl-)Alarms folgt in der nächsten Version. Das wird dann viral von den ganzen Blogs und Wikis erledigt, die spontan entstanden sind und um die beste Fotogalerie zur Vermisstensuche wettstreiten.

Alle Beteiligten äußern sich dennoch zufrieden mit dem unfreiwilligen Test und betonen die Nachhaltigkeit der ergriffenen Maßnahmen und die Bedeutung für die ganze Region.

Vor allem wirken sie sich nachhaltig positiv auf die Kandidatur für den ständigen Sitz im Sicherheitsrat aus.

*OK, das war ein übler Insider, ich geb’s zu.

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